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Codewort_ Noidem

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Codewort_ Noidem

Leseprobe: Von Angst beherrscht 

                Codewort: Noidem

 

1.

 

Obwohl es bereits dunkel war, war das Risiko entdeckt zu werden hoch.

Nervös presste sich Claire gegen die kalten Planken des alten Schuppens. Der Schutz der Finsternis machte ihre Anwesenheit umso verdächtiger. So spät das Haus zu verlassen, war ihr nicht mehr gestattet. Sie war sich bewusst, dass sie nicht nur sich in Gefahr brachte, sondern vor allem den jungen Mann, der ihr gegenüberstand. Dennoch hatte sie nicht widerstehen können. Er war so anders als die Männer, die sie kannte. Er war ein Fremder in ihrer Gemeinde, ein Ausländer, ein Außenseiter. Er würde ihre Art zu Leben niemals verstehen können. Es machte ihr nichts aus, dass er umso vieles jünger war, als sie. Dieser Umstand gab ihr die Zuversicht, dass er die notwendige Kraft und Ausdauer besaß, dass ihr gegebene Versprechen zu erfüllen.

„Ich hätte nicht kommen sollen...“, flüsterte sie angespannt.

„Ich bin froh, dass du gekommen bist, Claire. Du hast richtig gehandelt!“, beruhigte er sie in einem sanften Ton.

Sie hätte ihm stundenlang zuhören können – Sie hatte ihm stundenlang zu gehört. Er hatte ihr von seiner Welt berichtet. Eine Welt, die nicht unterschiedlicher von ihrer hätte sein können. Der Druck, unter dem sie stand, zeigte sich. Tränen füllten ihre Augen.

„Chas, ich halte, dass nicht mehr aus. Wir müssen es so schnell, wie möglich machen. Mein Mann wird langsam misstrauisch. Wenn er es herausfindet…“, ihre Stimme versagte und sie begann zu weinen.

Er ließ ihr Zeit, sich wieder zu fangen.

„Ich will doch nur, dass sie ein besseres Leben bekommt, als ich es jemals hatte. Es kann doch nicht falsch sein, dass eine Mutter sich dies für die Tochter wünscht. Verspricht mir, dass du sie von diesen Männern fortbringst. Sie ist mein Ein und Alles. Ich muss sie gehen lassen!“

Der junge Mann nahm sie tröstend in die Arme. In seiner Gegenwart fiel es ihr leicht, die unterdrückten Gefühle rauszulassen. Für sie selbst, war es zu spät, doch dies galt nicht für ihre Tochter. Diese war jung, hübsch und begabt. Sie in dieser doppelgesichtigen Gesellschaft aufwachsen zu sehen, war das Letzte, was sie wollte. Chas hatte versprochen Eliza von hier weg zu bringen und sie vor ihnen zu verstecken. Das Mädchen sollte ein neues Leben in England beginnen; so weit weg von Utah und ihrer Reichweite. Dieser Mann war ihre einzige Hoffnung auf Befreiung.

Chas war sich der Verantwortung und die damit einhergehende Gefahr bewusst in der er schwebte. Ihm war bekannt, wie bösartig diese Männer waren, die sich hinter ihren Inneren Kreisen und der Idylle der weißen Jägerzäune verbargen. Der gesamte Ort machte auf den ersten Blick den Eindruck, als sei er der ideale Platz, um eine Familie zu gründen und Kinder aufzuziehen. Alles erschien so rein und wohl organisiert.

Stuartville schien die perfekte Stadt für gute Leute zu sein. Dies stimmte auch, wenn man den entsprechenden Kreisen angehörte und das richtige Geschlecht besaß. Hier lag die Macht ausschließlich bei den Männern. Hier war der Vater das unbestrittene Familienoberhaupt. Er war das Gesetz, der Richter und die Geschworenen in einer Person. Sein Wort wurde befolgt. Seine Autorität war unantastbar und er hatte das Recht, die zu bestrafen, die sich ihm widersetzten.

Claire war im Begriff etwas Unverzeihliches zu begehen. Sie handelte nicht nur gegen den Willen ihres Ehemanns, sondern hinterging zudem die Gemeinde. Ihr eigensinniges Verhalten würde ernste Folgen nach sich ziehen. Fand er es jemals heraus, dann würde er sie töten. Dass diese Annahme gerechtfertigt war, bewiesen die jahrelangen Misshandlungen, die sie ertragen hatte. Sie war stark genug, um seine Launen und Prügel zu erdulden. Dennoch war sie zu schwach, mitanzusehen, wie ihre Tochter unter seiner tyrannischen Art litt. Claire konnte unmöglich beziffern, wie oft der ihre kleine Tochter schon wegen einer Unerheblichkeit geschlagen hatte. Jeder einzelne Hieb mit dem Gürtel, hatte ihr Herz ein weiteres Stück zerbrochen. Die Erkenntnis, dass sie ihn nicht anzeigen konnte, machte es um ein Vielfaches schlimmer. Hier verfuhr man so, wie man es schon immer gehalten hatte. So war das hier eben. Dies waren die Grundfesten auf dem die Gesellschaft aufgebaut war: Gehorsam und Unterdrückung.

Chas schien vom Himmel gesandt zu sein. Er war die Antwort auf all ihre stummen Gebete, die sie in diesen vielen Jahren der Unsicherheit, ausgesandt hatte. Einen Mann wie ihn, hatte sie noch nie getroffen. Er war freundlich, wortgewandt und besonnen. Allein seine Anwesenheit beruhigte sie. Er hatte ihr alles geglaubt, was sie ihn erzählte. Chas war die Art von Person, der sich gequälte Seelen leicht gegenüber öffneten. Allein, dass er sie hielt, gab ihr den Mut durchzuhalten. Sie hatte ihn nicht überreden müssen Eliza aus diesem Elend herauszuholen. Die Wochen, die er in Stuartville verbracht hatte reichten aus, um zu erkennen was hinter verschlossen Türen ablief. Misshandlungen waren als Erziehung getarnt. Chas war angeekelt von dieser Erkenntnis. Er war ins Land der Unbegrenzten Möglichkeiten gekommen, um den amerikanischen Traum zu leben; doch stattdessen fand er einen Ort vor, der in einem Zeitvakuum steckte. Frauen wurden behandelt, als seinen sie Eigentum. Das waren nicht die USA, die er erwartet hatte.

Claire lief die Zeit davon.

„Ich muss zurück. Bitte sag mir, dass alles so sein wird, wie wir es besprochen haben?“

Chas nickte. Er streichelte ihr Haar und blickte ihr in die Augen.

„Mache dir keine Sorgen. Morgen fahre ich und nehme Eliza mit. Sie wird ein gutes Leben in England haben.“

Claire lächelte. Sie vertraute ihm.

„Wenn, das nicht der Engländer ist“, ertönte es provokant vom anderen Ende des Schuppens.

Chas drängte Claire in den Schatten und hoffte, dass der andere sie nicht bemerkt hatte. Er gab ihr ein rasches Signal damit sie verschwand.

Chas erkannte die Stimme und näherte sich der Gestalt. Nicht um ihn zu stellen, sondern um sicher zu gehen, dass Claire unentdeckt blieb.

„Was treibst du so allein hier im Dunkeln?“

„Das geht dich nichts an!“, erwiderte Chas und meinte es genauso wie er es gesagt hatte.

Er mochte den Kerl aus vielen Gründen nicht. Joseph war das genaue Abbild seines Vaters. Er stellte die nächste Generation von Schlägern dar. Für Chas war er nur ein hirnloser Hund, der den Wünschen seines Herrn gehorchte.

„Du bist unerlaubt auf unserem Grundstück. Das ist Hausfriedensbruch!“

Der beabsichtigte Einschüchterungsversuch war eindeutig.

Chas blieb gelassen. Er hatte keine Angst vor ihm.

Wie alle Schläger, erhielt auch er nur seine Macht durch die Bewunderer; Leute, die nicht in der Lage waren, ihn als den Feigling zu erkennen, der er war.

Chas hatte auf eine derartige Gelegenheit seit langem gewartet. Endlich stand er ihm allein gegenüber und konnte ihm zeigen, was er von seinem Benehmen Frauen gegenüber hielt. Es war längst überfällig, dass ihm eine Lektion erteilt wurde und er etwas von seiner eigenen Medizin zu schlucken bekam.

„Was willst du dagegen unternehmen?“ Chas stupste ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust und wand sich ab. „Willst du mich erschießen?“

Joseph wurde wütend.

Auf keinen Fall konnte er den überheblichen Engländer mit dieser Unverschämtheit davonkommen lassen. Automatisch ballte sich die Hand zu Faust und eher er sich versah, schlug er zu. Der Mann rechnete mit einem derartigen Angriff. Geschickt duckte er sich zur Seite, so dass der Schlag ins Leere ging und Joseph aus dem Gleichgewicht brachte. Ohne Schwierigkeiten konterte Chas und erwischte seinen Widersacher in der Magengrube. Joseph sackte zusammen und fiel auf die Knie. Angestrengt rang er nach Atem. Chas war zufrieden. Der Kerl hatte bekommen, was er verdiente. Wie oft, hatte er junge Mädchen geschlagen, die nicht die Kraft hatten, sich zu wehren? Chas tat es nur leid, dass er ihn so glimpflich davonkam. Joseph hatte wesentlich mehr verdient.

„Grundgütiger Gott! Brüder, der Engländer hat Joseph zusammengeschlagen!”

Die schrille Stimme war hinter ihm ertönt.

Chas drehte sich um und erblickte sie im Pritschenwagen. Es war niemand anderes als „Die Bruderschaft der Idiotie“, wie Chas sie nannte. Es waren vier von Josephs besten und treusten Freunden. Die männliche Brut der Führungselite der Stadt. Ein jeder so moralisch korrumpiert und überheblich, wie sein Erzeuger.

„Steht nicht nur so rum“, keuchte Joseph. „Schnappt ihn euch!“

Chas wartete erst nicht ab, warf sich herum und verschwand in die Dunkelheit. Im Einzelkampf hätte er vermutlich eine Chance gehabt, doch in der Gruppe konnte er nichts gegen sie ausrichten.

Chas rannte, so schnell er konnte übers Feld. Es war schwierig auf dem gefroren und unebenen Boden voranzukommen. Als einzige Lichtquelle stand der Mond zur Verfügung. Leider war dieser nicht voll. Der Mann musste sehr aufpassen, wollte er bei seiner Flucht nicht ausrutschen.

Seine Häscher verfolgten ihn mit dem Wagen. Rasch schlossen sie zu ihm auf. Der flüchtende Mann wurde vom Licht der Scheinwerfer erfasst. Chas lief schneller. Sein Ziel war der Zaun. Darüber zu klettern, brach vermutlich die Verfolgung ab. Er wusste, wie faul sie waren. Während des Laufes blickte er über die Schulter und erkannte, wie Nahe das Fahrzeug war.

Sein Atem flog. Adrenalin schoss durch den Körper. Diesmal würde er nicht die Oberhand behalten, wenn ihm die Flucht nicht gelang. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass sie ihn zusammenschlagen würden. Ihrer Meinung nach würden sie ihm nur eine Lektion erteilen. Ihm demonstrieren, was sie von seiner Einmischung in ihre Angelegenheiten hielten. Er war ein Außenseiter, der nicht hierhergehörte.

Verzweifelt versuchte er einen Richtungswechsel. Der Fahrer hatte denselben Gedanken. Chas wurde von der Stoßstange erwischt. Der kurze Zusammenstoß brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht und er stürzte zu Boden. Sofort wurde der Wagen angehalten. Während er sich mühsam aufrappelte, hörte er sie von der Ladefläche springen. Rasch hatten sie ihn umzingelt. Chas wusste, dass er nicht auf Unterstützung hoffen konnte. Er war gezwungen sich diese wütende Meute allein zu stellen. Sogar, unter diesen schlechten Lichtverhältnissen, erkannte er den Hass in ihren Augen.

„Nicht mehr so mutig! Was, Engländer?“, verspotteten sie ihn.

Er war kein erfahrender Kämpfer und wusste, dass seine Chancen gering waren. Eine Abreibung war unausweichlich. Dennoch wollte er es ihnen nicht so leicht machen. So gut er konnte, wollte er Widerstand leisten. Wenn er Glück hatte, dann gaben sie sich mit ein paar Schlägen zufrieden.

Chas wartete nicht darauf, dass man ihn angriff. Beherzt warf er sich nach vorn und erwischte Jacob an der Hüfte. Als Knäuel fielen sie zu Boden und Chas schlug ihn die Faust aufs Kinn. Der Hieb hatte gesessen. Jacob war außer Gefecht. Einer weniger – blieben vier.

Bevor Chas allerdings eine Chance zum Aufstehen bekam, sprang bereits einer der Verbleibenden auf seinen Rücken. Der Ausländer konnte sich nicht wehren. Der Länge nach blieb er auf seinem ersten Opfer liegen.

Joseph stellte sich neben ihn. Die Überlegenheit auskostend, verspottete er ihn.

„Genau da gehörst du hin; in den Dreck. Ich verfluche den Tag an dem du in unseren ruhigen Ort kamst, um unsere Frauen zu verführen. Du bist keiner von uns. Ich befehle dir zu verschwinden.“

Das Antworten fiel ihm schwer. Das Gewicht auf seinem Rücken presste ihn nieder und verursachte ihm zusätzliche Schmerzen. Doch verspürte er den Drang zu einer Erwiderung, um Joseph seine Meinung zusagen. Um ihn noch zusätzlich zu provozieren, begann er zu lachen. Es war nicht einfach den Kopf anzuheben, dennoch tat er es, um Josephs Reaktion zu sehen.

„Selbstverständlich bin ich keiner von euch. Ich bin keine Inzucht!“

Die Beleidigung war beabsichtigt.

Joseph blieb der Mund offenstehen. Er war sprachlos. Wie konnte dieser Kerl es wagen? Auf Josephs Gesicht zeichnete sich Wut ab. Er wollte seinem Widersacher zeigen, was es bedeutete ihn und die gesamte Gemeinde zu beleidigen. Dem Außenseiter stand eine gehörige Lektion in gutem Benehmen bevor. Joseph starrte ihn an und hob das Bein. Der Tritt kam aus dem Nichts. Mit voller Wucht prallte der Stiefel gegen Chas Haupt. Der Kopf schwang herum und ein langes Rinnsal aus Blut lief übers Gesicht. Der Körper wirkte schlaff und leblos.

Ihr Gegröle verstummte.

Jeder blickte mit Unglauben auf den Körper zu seinen Füßen. Erschrocken sprang der junge Mann, der Chas festhielt, auf und trat einen Schritt zurück. Niemand wagte es zu reden. Die Gruppe stand nur, im Licht der Scheinwerfer da. Ihr Atem vereinigte sich zu einer weißen Wolke.

„Hey, höre auf uns anzuführen!“ Joseph trat vorsichtig gegen Chas Schulter. „Stehe auf!“

Ohne Erfolg.

Er versuchte es nochmals und erkannte, was er getan hatte.

„Du hast ihn umgebracht!“ Eine dünne Stimme zerschnitt die Dunkelheit und wurde lauter: „Joseph, du hast ihm umgebracht. Was willst du jetzt machen?“

Gemächlich hob Joseph den Kopf an und drehte sich dann rasch zum Sprecher.

„Was meinst du damit? Wir haben alle Schuld. Wir haben ihn gemeinsam getötet!”

Der Sprecher fühlte sich eingeschüchtert und wich zurück. Er schüttelte dennoch heftig den Kopf.

“Nein! Nein! Nein! Du hast ihn umgebracht. Ich habe es gesehen. Du hast ihn so hart getreten, dass der Schädel zerplatzt ist. Uns trifft keine Schuld. Wir müssen den Sheriff informieren.”

Joseph fühlte sich verraten.

Er war ihr Anführer. Wie konnte er es wagen, sich gegen ihn zu stellen? Joseph wusste, dass er etwas unternehmen musste, um seine Position in der Gruppe zu behaupten. Noch war es seine Bande. Er packte den Redner am Schlafittchen und zog ihn zu sich heran. Sie waren ungefähr gleich groß. Von Angesicht zu Angesicht standen sie in der Dunkelheit des Feldes, während der Lichtkegel der Scheinwerfer die Szene in gespenstisches Licht tauchte.

„Mein Vater braucht davon nichts zu wissen. Der Engländer war ein Ausländer, den niemand vermissen wird. Ich verrate euch, was wir machen werden. Wir werden ihn begraben und mit ihm die gesamte verdammte Geschichte. Niemand wird es je wieder erwähnen. Ist das klar?”

In Josephs Augen lag ein Funke von Wahnsinn.

Keines der Gruppenmitglieder wagte es ihm zu widersprechen. Widerstand würde nur Repressalien nach sich ziehen. Schließlich war Josephs Vater einer der einflussreichsten Männer in Stuartville. Wenn sie ihm nicht gehorchten, konnte dies Auswirkungen auf jedes ihrer Familienmitglieder haben. Das war ein zu hoher Preis. Einer nach dem anderen, gaben sie ihrem Anführer recht.

Hierbei handelte es sich um einen unglücklichen Unfall. Joseph hatte den Ausländer nicht wirklich umbringen wollen. Dieser hat bekommen, was er verdiente. Niemand durfte den Gemeindefrieden stören. Joseph hatte Recht, der Unruhestifter war ein Fremder und niemand würde Verdacht schöpfen, wenn er verschwand. Abgesehen davon, musste die männliche Bevölkerung ausgesprochen froh darüber sein, dass der Engländer weg war. Er hatte so einigen Frauen mit seinem Süßholz raspeln den Kopf verdreht. Diese Weiber wieder in Reihe und Glied zu bringen, war ihre Aufgabe. Jeder zeigte sich mit Josephs Bedingungen einverstanden.

„Gut, dann lasst uns die Leiche auf die Ladefläche werfen und ihn zum Beaver Cove bringen. Dort werden wir sie verscharren“, befahl Joseph.

Zwei der Freunde griffen sich den lebloswirkenden Körper und legten ihn auf die Pritsche. Rasch blickte sich der Sohn des Sheriffs um, um sicherzustellen, dass sie niemand beobachtete, bevor sie davonfuhren. Zeugen konnte er nicht gebrauchen.

Aus sicherer Entfernung und im Schutze der Dunkelheit hatte Claire mit weitaufgerissenen Augen mit ansehen müssen, was ihr Sohn mit Chas angestellt hatte.

Um ihre Schreie zu ersticken, drückte sie die Hand fest gegen den Mund. Sie atmete schwer. Mit Schrecken hatte sie alles beobachten können, doch konnte nicht glauben zu was ihr eigenes Fleisch und Blut fähig war. Zu tief saß der Schock, um die Tatsachen zu verarbeiten. Sie fühlte sich betäubt. Unbemerkt war sie Zeugin der Brutalität geworden zu der ihr Sohn fähig war und somit demonstrierte, dass er seinem Vater in nichts nachstand. Beide Männer missbilligend jedwede Störung in der Gemeinde. Viel schlimmer war für sie zu erkennen, dass sie nun gefangen war. Ohne die Mithilfe von jemanden wie Chas, war ihre Tochter verloren. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte Joseph alle Hoffnungen auf Elizas Befreiung durch diesen Akt vernichtet. Die Mutter wusste, dass sie niemanden von ihren Beobachtungen erzählen konnte. Zu viele unbequeme Fragen würden gestellt werden. Fragen auf denen sie keine Antwort geben wollte. Das Eingestehen der Wahrheit, oder auch nur einen Teil davon, besiegelte nicht nur ihr Schicksal, sondern auch das ihrer Tochter. Ein Geständnis an einer Verschwörung beteiligt zu sein, würde ihr Leben zur Hölle machen.

Sie hatte keine andere Wahl, als zu schweigen und für Chas Seele zu beten. Sie hoffte, dass er ihr verzieh und verstand, dass ihre Sicherheit Vorrang hatte. Sie beobachtete, wie der Pritschenwagen davonfuhr. Claire hatte keine Ahnung wohin die jungen Männer die Leiche brachten, doch war ihr bewusst, dass diese einen Weg fanden sich des Toten zu entledigen. Eine tiefe Traurigkeit erfüllte sie, als die roten Schlusslichter von der Dunkelheit verschluckt wurden. Automatisch bewegten sich ihre Füße. Jeder Schritt brachte sie näher zu ihrem Zuhause, ihrem Ehemann und ihrer Hölle.

 

Claires Anwesenheit war von den Männern unbemerkt geblieben. Niemand rechnete damit, dass es eine Zeugin gegeben hatte. Hätten sie dies geahnt, dann wären ihre Emotionen zusätzlich zum Kochen gebracht worden. Die anfängliche Genugtuung, sich an dem Engländer gerächt zu haben, war Angst gewichen. Niemand sprach. Niemand wagte Joseph nach seinen weiteren Plänen zu fragen. Er war der unumstrittene Anführer der Gruppe.

Er hatte das Sagen und bestimmte, was zu tun war. Normalerweise war es einfach ihm zu folgen. Leidenschaftlich erfüllte er seine Rolle in der Gemeinde. Er war der geborene Anführer der nachrückenden Generation. Er hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass er der rechtmäßige Nachfolger seines Vaters war und in dessen Fußstapfen treten würde. Doch, was er sich heute geleistet hatte, war eine andere Sache. Er hatte einen Mann kaltblütig getötet. Jeder hatte gesehen, dass Chas unmöglich den Tritt abwehren konnte. Hilflos war er Josephs Gewalt ausgeliefert gewesen. Es war eine Sache jemanden eine Lektion zu erteilen und eine andere, dies durch übertriebene Gewaltanwendung zu machen. Der Tritt gegen den Kopf war, sogar für Josephs Verhältnisse, brutal. Und nun waren sie gezwungen dieses Geheimnis für sich zu behalten und mit der Leiche zu begraben.

Es überraschte niemanden, dass kein Verkehr herrschte. Joseph hatte sich hinters Steuer geklemmt und benutzte ausschließlich die Nebenstraßen. Er wollte die Abgeschiedenheit von Beaver Cove nutzen, um den Toten verschwinden zu lassen. Dieses Unterfangen, sollte kein Problem darstellen. Auf der Ladefläche des Wagens befanden sich einige Schaufeln, Spitzhacken und sogar eine Ladung Steine. Das Fahrzeug gehörte Daniels Vater, der ein Bauunternehmen führte.

Joseph lenkte das Vehikel tiefer in den Wald, als es eigentlich notwendig war. Das Gebiet hier war so weitläufig, dass niemand Chas finden würde. Dennoch wollte Joseph sicher sein, das was einmal begraben war – es auch blieb.

Das abrupte Abstoppen des Fahrzeuges irritierte die Männer. Joseph behielt das Kommando.

Er rief seine Befehle und schanzte jeden der Mitwisser eine Aufgabe zu. Er stellte sicher, dass jeder der Freunde seinen Teil des Planes kannte und sich daranhielt. Dan und Jacob verdonnerte er dazu die Leiche zu transportieren, während Matthew, Nathan und er selbst die Werkzeuge mitnahmen. Er führte sie noch tiefer in den Wald. Sein Ziel waren die Höhlen. Joe war überzeugt, dass niemand in der nahen Zukunft diesen Ort aufsuchte. Das Gelände war dazu zu unwegsam.

Aufgrund ihrer schweren Last gerieten Dan und Jacob rasch außer Atem. Sie flehten Joseph an anzuhalten. Es war einfach zu dunkel und zu gefährlich noch weiterzugehen. Ängstlich blickten sie von einem zum anderen.

Glücklicherweise ging Joseph auf ihren Einwand ein und befahl den anderen mit der Aushebung des Grabes zu beginnen. Es war ein nahezu aussichtsloses Unterfangen den Boden zu öffnen. Die Nächte waren mittlerweile sehr kalt und die Erde gefroren. Nur mit Mühe und Not gelang es ihnen ein seichtes Loch auszuheben, in das sie die Leiche verstauen konnten. Nachdem sie das Grab wieder zugeschüttet hatten, zeigte sich Joseph unzufrieden. Er befürchtete, dass Wildtiere auf der Futtersuche, die Leiche ausgruben konnten. Die einzige Maßnahme, um dies zu verhindern, war das Grab mit Steinen zu bedecken. Joe verlangte von den Freunden größere Brocken zu sammeln und sie auf dem Erdhügel zu schmeißen. Das Unterfangen erwies sich, als ausgesprochen schwierig. Die Lichtverhältnisse waren zu schlecht und es gab nicht ausreichend geeignete Steine.

Dies brachte Joseph auf eine Idee. Er wies die anderen an, die Steine von der Ladefläche zu verwenden. Beharrlich ignorierte er Dans Einwände, dass diese Steine speziell für den Brunnen im Garten des Bürgermeisters bestellt worden waren und er mit seinem Vater großen Ärger bekam, wenn Baumaterial verschwand. Joseph interessierte sich nicht dafür, sondern hielt dem Freund vor Augen, dass er an der Vertuschung eines Mordes beteiligt war.

Dan gehorchte ihm schweigend.

 

 

 

2.

 

Kompromisslosigkeit war in ihrem Leben an der Tagesordnung, allerdings war sie noch nie Zeugin eines Mordes geworden.

Die Schärfe, der sie bisher ausgesetzt war, hatte ihren Anfang in der frühsten Kindheit genommen. Auch damals hatte sie körperliche Bestrafungen hinnehmen müssen, da dies die allgemeingültige Erziehungsmaßnahme in diesem Ort war. Dies hörte auch nicht mit dem Erreichen des Erwachsenseins auf. Die Rolle des strengen Erziehers wurde nach der Ehe vom Vater auf den Ehegatten übertragen. Derartige Rollenverteilungen waren vollkommen normal in der Gemeinde. Erstaunlicherweise ermöglichten ihr gerade diese Erlebnisse, mit der gegenwärtigen Situation umzugehen. Sie akzeptierte, dass sie Chas nicht mehr helfen konnte – er war tot.

Sie wiederum lebte. Und um sicherzustellen, dass dies auch so blieb, wusste sie was sie zu tun hatte. Die Ruhe bewahren und so tun, als sei nichts geschehen. Zu ihrem eigenen Wohle, war sie gezwungen die Erinnerung an diesen fürchterlichen Abend zu vergessen.

Sie musste sich einfach einreden, dass es Chas nie gegeben hatte. Sie hatte ohnehin schon zu viel riskiert; es machte keinen Sinn es weiterhin zu tun. Würde sich herausstellen, dass sie sich mit Chas zusammengeschlossen hatte, sah man dies unweigerlich als Verrat an der Gemeinde an. Sie hatte einen Außenstehenden in die Geheimnisse ihrer Gesellschaft eingeweiht und ihm eröffnet, was sich hinter verschlossenen Türen abspielte. Das die Führungselite nicht nur die Gottesfurcht in Frauen und Kinder prügelte, sondern sie ihre eigene Allmacht auslebten.  Besuche dieser Elite reichten weit über normale Gemeindearbeit hinaus. Sie nahmen sich das ungeschriebene Recht, sich in alle privaten Belange ihrer Mitglieder einzumischen. Jeder Zeit, konnten sie unangemeldet zu Hause auftauchen und ihre Version des Heiligen Wortes predigen. Regelmäßig wurde bei diesen Besuchen der Hausherr an seine Pflicht erinnert, die Familie im Zaum zu halten. Häufig endeten solche Besuche damit, dass die hochrangigen Mitglieder einer Erziehungsmaßnahme beiwohnten oder gar selbst eine durchführten. Claire hatte dieses, während ihrer eigenen Kindheit zu genüge erdulden müssen und war nun gezwungen, es bei ihren eigenen Kindern mit anzusehen. Das Schlimmste war allerdings nicht, dass sie keine Chance hatte, aus dieser so genannten Religion auszubrechen, sondern, dass ihr Sohn einer dieser speziellen Mitglieder war. Gemeinsam mit seinen Freunden, war er für würdig befunden worden, dem engeren Kreis beizutreten. Es waren dieselben Freunde, die sich des Mordes an Chas mitschuldig gemacht hatten. Die eigentliche Aufgabe dieser jungen Männer war es, immer mit gutem Beispiel voranzugehen.

Claire fröstelte. Gewissermaßen war es ihnen heute Abend sogar gelungen. Indem sie Chas töteten, entfernten sie einen Störfaktor aus der Gemeinde. Er war verhasst dafür, dass er den Frauen erklärte, dass sie nicht so leben mussten und dass sie verfassungsmäßig garantierte Rechte hatten. Die Hoffnung auf ein Umdenken, war nun mit ihm begraben.

Sobald sie ihr Haus erreichte, benahm sie sich wie immer unauffällig. Sie wusste, dass ihre beiden Töchter bereits tief und fest in deren Betten schliefen und das ihr Mann, nach wie vor Dienst schob. Erst in zwei Stunden war seine Schicht beendet. Dies ließ Joseph Zeit genug heimzukehren. Selbst in einer Nacht wie dieser, würde er es nicht wagen, nach seinem Vater heimzukommen. Der Vater war nicht nur der Hausvorstand, dem er bedingungslos zu gehorchen hatte, Keith war sein Vorgesetzter. Morgen begann Josephs Laufbahn im hiesigen Sheriffbüro. Er hatte soeben die Akademie absolviert. Er gab sich alle erdenkliche Mühe, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Claire bereitete das Essen für ihren Gatten vor. Sie wusste, dass er eine heiße Mahlzeit auf dem Tisch erwartete. Dieses zu versäumen, würde sie nicht nur in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, sondern es würde auch sein Misstrauen wecken. Dies konnte sie nicht riskieren.

Nichtsdestotrotz brachte sie das Kochen auf andere Gedanken. Sie brauchte diese Ablenkung. Sie wäre unweigerlich verloren, wenn sie der Versuchung nachgab über das Erlebte nachzudenken und zu verarbeiten. Ihre einzige Chance lag in der Verdrängung. Allmählich gelang es ihr sich davon zu überzeugen, dass nichts passiert war. Dass alles, was sie geglaubt hatte zu sehen, nur ein Albtraum war. Nichts von dem, war real. Verdrängen war nichts Unbekanntes für sie. Für sie war die Fähigkeit, unliebsame Erlebnisse zu unterdrücken, eine entscheidende Überlebensfunktion, ohne diese hätte sie nicht so lange durchgehalten.

Claire hörte, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Es war unnötig nachzusehen, wer es war. Sie wusste auch so, wer sich Zutritt verschaffte. Vor Aufregung begann ihr Herz zu rasen. Ein Schwindelgefühl erfasste sie und sie musste sich zusammenreißen. Selbst mit dem Wissen, dass ihr Sohn ein Mörder war, behandelte sie ihn nicht anders als sonst. Nichts deutete auf ihre Kenntnis hin. Sie schaffte es sogar, ihn anzulächeln und eine warme Mahlzeit anzubieten.

Joseph lehnte ab und ging ins Bett. Sie zeigte sich erleichtert über diese Entwicklung. Es war auch schon so schwer genug vorzugeben, dass alles in Ordnung war. Claire blickte auf die Uhr und erkannte, dass ihr Gatte jeden Augenblick erscheinen musste. Mental bereitete sie sich darauf vor. Sie atmete ein paar Mal tief durch und leerte ihre Gedanken. So machte sie es immer. Diese Methode half ihr seit Jahren, den inneren Stress zu reduzieren, wenn sie die Rückkehr ihres Mannes fürchtete. Erneut öffnete sich die Tür. Jemand näherte sich mit schweren Schritten der Küche. Keith konnte darauf vertrauen, dass er seine Frau dort vorfand.

Er war hungrig. Claire schätze sich glücklich, dass er nicht so griesgrämig war, wie gewöhnlich. Allem Anschein nach, hatte er wohl eine ruhige Schicht gehabt. Vermutlich hatte es keine Einsätze wegen Ruhestörung gegeben. Dies geschah eigentlich nur, während der Sommermonate, wenn die Touristen hier waren. Begann die Ferienzeit und brachte die ersten Besucher, dann verschlechterte sich automatisch seine Laune. Er konnte sich einfach nicht mit ihrem Benehmen anfreunden, und war ebenso unbarmherzig ihnen gegenüber, wie er es mit seiner eigenen Familie war. Keith steuerte einen harten Kurs. Dies war der Hauptgrund, dass er immer wieder in seinem Amt bestätigt wurde. Sheriff Keith Snyder war der starke Arm des Gesetzes in Stuartville.

Heute war er ausgesprochen wohlwollend. Er stimmte sogar eine freundliche Unterhaltung mit seiner Frau an. Dies setzte Claire unter einen unglaublichen Druck und erinnerte sie daran, wie wichtig es war, dass sie sich nichts anmerken ließ. Es war sowieso unmöglich für ihn, ihr Lächeln als falsch zu entlarven. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie seit Jahren nicht mehr von Herzen gelächelt. Keith war nicht nur nach einem kleinen Schwätzchen zu Mute. Er wollte ihre besondere Aufmerksamkeit. Er wollte sie.

Ihn abzuwimmeln, hatte nur ein übles Nachspiel zur Folge. Befand er sich in einer derartigen Stimmung, dann schreckte er auch nicht davor zurück forscher vorzugehen. Dies wäre nicht das erste Mal gewesen. Claire hatte mit den Jahren gelernt, dass es einfacher war, sich seinen Wünschen zu unterwerfen. Es würde sowieso nicht lange dauern. Ihre Gefühle und Vorlieben interessierten ihn nicht dabei. Genau, wie mit den anderen Dingen in seinem kleinen Königreich, hatte sie sich auch im Schlafzimmer zu unterwerfen.

„Meinen Nachtisch will ich im Bett. Du weißt, wie ich es am Liebsten mag. Vati hat eine Belohnung verdient.“

Selbstverständlich wusste sie, was er damit meinte und von ihr erwartete.

Das erste Mal, als er diese Technik von ihr verlangte, hatte sie sich beinahe übergeben. Sie mochte diese Sexpraktik immer noch nicht, doch hatte sie es geschafft, sich damit zu arrangieren und sie über die Jahre einfach hinzunehmen. Ebenso, wie bei den anderen Dingen in ihrem Leben, war es nur die Fähigkeit ihre wahren Gefühle geschickt zu verbergen, die es ihr erlaubten, es durchzustehen. Sie folgte ihn nach oben und erfüllte gehorsam seine Wünsche.

Es überraschte sie nicht, dass er nach dem Verkehr im Bett blieb und von ihr erwartete, die liegen gebliebenen hausfraulichen Pflichten zu erledigen. Claire war es gleichgültig. Eigentlich war sie froh darüber. Dies bot ihr eine willkommene Gelegenheit von ihm weg zu kommen und ein wenig Zeit für sich zu haben.

Sie betrachtete ihre Reflektion im Küchenfenster über der Spüle. Obwohl die Spieglung nur geisterhaft wirkte, verbarg sie nicht, dass Claires beste Jahre bereits überschritten waren. Sie sah erschöpft aus. Traurige Augen starrten sie an. Die Erkenntnis, dass es ihrer eignen waren, schmerzte sie. Claire wusste, dass sie ihn niemals verließ. Ohne ihn wäre sie verloren, außerstande sich im Leben zu Recht zu finden. Sie war so sehr daran gewohnt, dass man ihr sagte, was sie zu tun hatte, dass es ihr nie in den Sinn kam, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Nur einmal hatte sie dies gewagt, als Chas sie davon überzeugte, Eliza hier herauszuholen. Sein Tod empfand sie als Mahnung. Es zeigte ihr deutlich, was geschah, wenn sie mit dem Schicksal spielte. Sie war hier geboren worden, aufgewachsen und zur Schule gegangen und sie würde zweifelsohne auch hier sterben. Claire schüttelte den Kopf und blickte erneut auf ihr Spiegelbild. Sie fragte sich, wann sie wohl ihren Glauben verloren hatte. Es hatte seinen Anfang genommen, als sie Chas begegnete. Ihr Leben war in normalen und geordneten Bahnen verlaufen, bevor sie ihn traf. Es war kein schlechtes Leben. Ihr Gatte war einer der einflussreichsten Mitglieder der Glaubensgemeinde und damit auch der Gesellschaft. Es war nichts Unrechtes, ein strenger Vater zu sein. Keith stellte nur sicher, dass seine Familie mit gutem Beispiel voranging. Wie sollte er auch erwarten, dass andere seinen Lehren folgten, wenn ihm die eigene Familie Schande bereitete? Er hatte absolut Recht, sie für ihre Fehler zur Rechenschaft zu ziehen und ihnen zu helfen auf dem Pfad der Tugend zurückzukehren. Claire verstand nicht, wieso sie an seiner Befähigung, als Vater und Ehemann, zweifeln konnte. Seine Absichten waren rein. Sicherlich waren seine Bestrafungen streng, dennoch waren sie gerecht. Alle Strafen waren wohl verdient. Gerade jetzt, verdiente sie eine für ihren Verrat an ihm.

Ihr Sohn hatte korrekt gehandelt, indem er diesem Dämon umbrachte, der sich in die Stadt geschlichen und den Frauen mit seinen Lügen den Verstand vernebelte.

Noch nie zuvor sah sie die Zusammenhänge so klar. Dies war eine Prüfung. Eine Prüfung, die sie nicht bestanden hatte. Gott hatte ihren Glauben und ihre Verbundenheit zur Gemeinde geprüft. Sie hatte sich den Versprechungen des Teufels hingegeben. Chas hatte sie davon überzeugt, ihm ihre eigene Tochter zu opfern. Er wollte sie von hier fortbringen, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Wie hatte sie nur so dumm sein können, ihm zu glauben? Nur dem heldenhaften Einschreiten ihres Sohnes war es zu verdanken, dass die Familie vor einer großen Schande bewahrt blieb. Claire wusste, was sie verbrochen hatte und hasste sich dafür.

Korrekterweise musste sie, die Sache Keith beichten. Er sollte darüber entscheiden, wie er mit ihr verfuhr. Sie musste damit rechnen, dass sie eine strenge Tracht Prügel mit dem Gürtel verabreicht bekam. Schläge, die sie verdient hatte. Allerdings war es nicht auszuschließen, dass er sich zu einer öffentlichen Züchtigung im Gemeindebüro entschloss. Dies war nichts Ungewöhnliches. Claire befand sich im Zwiespalt. Sie wusste, dass dies eine gerechtfertigte Strafe für sie wäre, doch schaffte sie es nicht sich mit der damit einhergehenden Erniedrigung einer solchen Maßnahme zu arrangieren. Der innere Drang auf eine Bestrafung war so stark, dass sie die Angelegenheit selbst in die Hand nahm. Sie griff nach einem Messer.

Es war nicht das erste Mal, dass sie etwas Derartiges tat. Es geschah aus dem inneren Zwang heraus, die Sache wieder ins Gleichgewicht zu bringen, der sie so handeln ließ. Der physische Schmerz stand in keinem Verhältnis, zum seelischen. Es war das Wissen, um das was sie getan hatte, dass ihr wehtat. Sie platzierte die Schneide des Messers auf ihren linken Unterarm und drückte sie fest ins Fleisch. Zwar spürte sie den Druck, dennoch konnte sie die Haut nicht durchschneiden. Sie verstärkte den Druck und bewegte gleichzeitig das Messer. Ein scharfer Schmerz schoss über ihrem Arm herauf und verteilte sich in Sekundenschnelle in ihrem Körper. Blut strömte ungehindert aus der klaffenden Wunde. Mit Schrecken erkannte sie, dass sie tiefer, als beabsichtigt geschnitten hatte. Sie ließ das Messer los.

Mit einem lauten metallisch klingenden Geräusch fiel es in die Spüle. Überallhin spritze das Blut. Claire versuchte die Blutung zu stoppen, in dem sie ihre rechte Hand auf die Wunde presste, doch es reichte nicht. Schwindel ergriff ihren Körper und ihre Beine sackten ein. Sie versuchte ihren Sturz zu verhindern, indem sie nach dem Beckenrand griff. Mit dem rechten Arm erwischte sie die Teller im Trockengestell. Mit lautem Klirren fielen sie neben ihr. Die Geräuschkulisse riss alle aus dem Schlaf. Claire wurde ohnmächtig und merkte nicht, wie sie hart auf den Boden aufschlug.

Keith rannte mit der Pistole in der Hand in die Küche. Er rechnete damit, dass er einen Einbrecher im Haus stellte, aber nicht damit, die Ehefrau in einer Blutlache auf dem Küchenboden vorzufinden. Sofort rannte er zu ihr und versuchte die Blutung mit einem Handtuch einzudämmen. Er reagierte automatisch und leistete Erste Hilfe. Joseph traf kurz nach ihm ein, gefolgt von den Mädchen.

„Ruf einen Krankenwagen“, befahl er dem Sohn und fügte hinzu: „Erkläre ihnen, dass sie sich geschnitten hat und stark blutet.“

Joseph gehorchte.

„Und ihr beiden, verschwindet wieder in eure Betten. Hier gibt es für euch nichts zu sehen“, fuhr er seine Töchter an.

Sie gehorchten umgehend. Das taten sie immer. Selbst in einer so emotionalen Krisensituation wie dieser, wagten sie nicht, sich seinen Anweisungen zu widersetzen.

“Sie werden in ungefähr zehn Minuten hier sein”, berichtete Joseph und näherte sich seinen Eltern. „Was ist geschähen, Vater? – Verliert sie nicht zu viel Blut?“

Besorgt schaute Joseph auf seine bewusstlos daliegende Mutter. Er erinnerte sich, dass er in der Akademie mit Szenarien dieser Art konfrontiert worden war. Dennoch war dies anders. Dies war kein Beispiel aus dem Lehrbuch, sondern hier handelte es sich um seine Mutter, die in ihrem Blut lag.

Er stellte sich die Frage, wie dies passieren konnte und warum. War es ein unglücklicher Unfall oder hatte sie eventuell versucht sich das Leben zu nehmen? Joseph wies die letzte Möglichkeit weit von sich. Das war absurd. Sie war eine glückliche Frau und hatte ein ausgefülltes Familienleben. Sie hatte keinen Grund etwas so Extremes und Sündiges zu machen. Es konnte nur ein Unfall sein. Joseph war froh, dass sein Vater hier war und die Situation voll im Griff hatte. Er wusste genau, was zu tun war und was, als nächstes zu geschähen hatte. Joseph wiederum war verängstigt. Verzweifelt versuchte er seine Gefühle zu verbergen. Sein Vater sollte ihm die Schwäche nicht ansehen.

„Geh und mache die Tür auf“, hörte er plötzlich die Anweisung seines Vaters.

Der junge Mann war zu sehr in seinen Gedanken versunken, dass er das Eintreffen der Rettungskräfte nicht bemerkte. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren.

Claire wurde rasch Erst-versorgt und dann mit ins Krankenhaus genommen. Keith folgte ihnen mit seinem Auto und wies Joseph an bei seinen Schwestern zu bleiben.

Keith fühlte sich gedemütigt, als der Doktor ihn an die Seite nahm.

„Wir haben sie wieder zusammengeflickt. Die Fäden werden sich in den nächsten Tagen auflösen. Es ist nichts Ernsthaftes und bedarf eigentlich keiner Beobachtung über Nacht. Wenn Du willst, dann kannst du sie mit nach Hause nehmen.“

Der Sheriff nickte.

Der Doktor stellte allerdings noch eine andere Frage.

“Deine Frau hat angegeben, dass sie sich versehentlich beim Abwaschen geschnitten hatte. Um ehrlich mit dir zu sein, Keith, ist der Schnitt einfach zu hoch auf dem Arm und zu tief, um unbeabsichtigt entstanden zu sein. Du weißt, dass ich darüber Meldung machen muss. Was soll ich Deiner Meinung nachtun?“

Freundschaftlich berührte der Sheriff die Schulter des Mannes.

„Ich würde es, als persönlichen Gefallen werten, wenn Du darüber in deinem Bericht nichts erwähnst. Ich halte es für vorstellbar, dass es sich um ein Versehen gehandelt hatte. Jedem von uns unterläuft mal ein Missgeschick und lass uns nicht vergessen, sie ist schließlich nur eine Frau.“

 Der Doktor nickte bestätigend und senkte seine Stimme.

„Das habe ich mir auch so gedacht. Ich behandle es, wie einen Unfall. Nimm sie mit nach Hause. Gönne ihr ein paar Tage Ruhe und alles wird sich wieder einrenken. Sehe dich in der Messe.“

Keith klopfte ihn auf die Schulter und zwinkerte ihm zu.

„Gut, dass wir uns verstehen. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann, Douglas. Sehe dich in der Messe.“

Beide gingen in den Behandlungsraum zurück in dem Claire auf sie wartete.

Unentwegt entschuldigte sie sich und versuchte ihr Verhalten zu erklären. Wiederholt verwies sie darauf, wie peinlich es war, dass ihre Ungeschicklichkeit einen derartigen Aufruhr verursachte. In ihren Augen lag ein fiebriger Ausdruck.

Keith brachte sie heim.

Wie gewöhnlich meisterte er auch diese Situation. Er verordnete ihr einen Tag Bettruhe und verlangte von Esther, dass sie nach ihr sah. Eliza sollte in die Schule gehen und Joseph seinen Dienst im Sheriffbüro antreten. Niemand wagte es einen Einwand gegen diese Anweisungen einzulegen.

Am frühen Morgen verließen Keith und Joseph das Haus, um zur Arbeit zu gehen. Joseph war das erste Mal in Uniform und man sah ihm seinen Stolz an.

 

Die Aufgaben der Fünfzehnjährigen waren eindeutig definiert, sie hatte Order auf die Mutter aufzupassen und die kleine Schwester in die Schule zu bringen. Esther war sich nur nicht sicher, ob sie es wirklich riskieren konnte, ihre Mutter für eine Weile allein zu lassen, also erlaubte sie Eliza diesmal allein zur Schule zu gehen. Sie glaubte, dass man einer Neunjährigen dies ohne weiteres zumuten kann. Außerdem befand sie sich in Begleitung von Charlene, dem gleichaltrigen Nachbarmädchen. Es konnte also nichts passieren, wenn sie sich auf den direkten Weg begaben. Die Jugendliche war davon überzeugt, dass sie ihrer kleinen Schwester vertrauen konnte. Eliza versprach ihr brav zu sein.

Esther hatte sowieso keinen Grund ihr zu misstrauen und begab sich zu ihrer Mutter, um ihr Gesellschaft zu leisten.

 

Scheu blickte Claire sie an und schämte sich. Die Erinnerung an ihre gestrige Tat kehrte zurück. Sie hatte alles verpatzt. Wie sollte sie sich dies jemals vergeben? Das Schuldbewusstsein saß so tief, dass sie zu weinen anfing.

„Mach dir bitte keine Vorwürfe, Mutti. Alles wird wieder gut!“, versuchte Esther sie zu beruhigen. „Der Doktor sagte, dass deine Verletzung nicht so schlimm ist und bald verheilt sein wird. Alles was du brauchst, ist ein wenig Ruhe!“

Claire versuchte ein Lächeln aufzusetzen und wischte sich die Tränen ab. Sie fühlte sich als Versagerin. Sie hatte es nicht verdient den ganzen Tag faul im Bett zu liegen. Sie sollte ihre Pflichten erfüllen. Ihre Verletzung war selbst verschuldet, daher verdiente sie das Mitleid ihrer Tochter nicht. Sie verdiente von Niemanden Mitleid. Alles war nur ihre Schuld. Esther versäumte nur ihretwegen einen Schultag. Wie hatte sie es nur zulassen können, eine so schlechte Mutter zu sein?

„Es tut mir so leid“, seufzte sie.

„Bitte Mutter! Mach dir keine Sorgen. Wir lieben dich alle sehr. Du hast uns nur ein wenig erschreckt, das ist alles. Vater hat uns erklärt, dass es ein Unfall war. So, nun ruhe dich aus.“

Esther streichelte ihre Hand und küsste sie auf die Stirn. Sie lächelte die Mutter an. Claire fühlte sich elend. Sie war die Einzige, die die Wahrheit kannte. Dieser so genannte Unfall, war für sie nur ein weiteres Zeichen dafür, dass sie sich ihres Mannes hätte unterwerfen sollen. Er hätte genau gewusst, wie er sie für ihren Verrat zur Rechenschaft ziehen musste. Sie war überzeugter denn je davon, eine Strafe verdient zu haben. Es wäre klüger gewesen, ihm alles zu gestehen und die Folgen zu akzeptieren.

Die Gegenwart ihrer Tochter erhöhte das schlechte Gewissen. Es kam ihr vor, wie eine ständige Ermahnung an die begangenen Fehler. Esther wich ihr nicht von der Seite und verwandelte sich in eine wahre Quasselstrippe. Zwischendurch schielte Claire zum Wecker und bemerkte, dass sie seit einer Stunde ununterbrochen erzählte. Allerdings machte es ihr auch Freude, der Tochter zu zuhören. Claires Stimmung lichtete sich allmählich.

„Esther!“

Beide Familienmitglieder zuckten unwillkürlich unter dem wütenden Ruf zusammen.

„Esther, komm sofort her!“

Es war Keiths Stimme. Doch hätte er eigentlich bei der Arbeit sein müssen! Es war unverständlich, weshalb er zu dieser Zeit hier auftauchte und sich derartig gebar. Mutter und Tochter tauschten einen ängstlichen Blick aus.

Aus Erfahrung wussten sie, dass wenn er sich so benahm, dann missfiel ihm etwas gewaltig. Ihn zu verstimmen hatte immer eine unangenehme Konsequenz. Esther war sich nicht im Klaren darüber, was sie angestellt hatte, um ihn derartig zu verärgern; doch offensichtlich gab es da was. Das junge Mädchen wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihm gegenüberzutreten und das Unausweichliche hinzunehmen. Sie erhob sich und beeilte sich ins Wohnzimmer zu gelangen. Es lag nicht in ihrer Absicht ihn warten zu lassen und dadurch die Sache zu verschlimmern.

„Vater?“, erkundigte sie sich vorsichtig und zeigte sich erstaunt, dass ihre jüngere Schwester neben ihm stand.

Eliza weinte still vor sich hin und war offensichtlich sehr verstört. Esther hatte Mitleid mit ihr und wollte sie trösten. Doch ihr Vater ließ dies nicht zu.

“Warum hast du deine Pflicht nicht so erfüllt, wie ich es dir befohlen habe?”, keifte Keith sie an.

Esther zeigte sich überrascht. Sie begriff nicht, was er damit meinte.

„Vater, bitte glaube mir, ich habe mich an deine Anweisung gehalten. Ich habe mich um Mutter gekümmert!“, versuchte sie sich zu rechtfertigen – ihre dünne Stimme zeugte von der Furcht, die sie erfüllte.

„Wage es ja nicht auch noch frech zu werden, junges Fräulein, “ schnauzte er sie an. „Eure Mutter war absolut in der Lage, für eine halbe Stunde auf sich selbst aufzupassen. Doch du lässt deine Schwester lieber allein zur Schule gehen. Charlene und sie haben einen Unfall bei Halfords Corner verursacht. Und die befindet sich noch nicht einmal auf dem Schulweg. Ich wurde zum Einsatz gerufen.“

„Das habe ich nicht gewollt“, gab Esther ehrlich zu.

„Ihr macht mich als Sheriff und Gemeindevorstand unmöglich. Wie stehe ich da, wenn sich meine Kinder nicht an meine Anweisungen halten?“

„Entschuldige Vater“, stammelte Esther und wagte es nicht ihn anzublicken.

„Ihr habt mich vor aller Öffentlichkeit blamiert. Meine Frau wurde gestern Nacht ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie sich beim Spülen verletzte, und heute werde ich mit den Auswirkungen von zwei ungezogenen Kindern konfrontiert.“

„Vater…“, versuchte Esther einzubringen, doch unterbrach er sie schroff.

„Das werde ich nicht hinnehmen. Esther, du lässt mir keine andere Möglichkeit, als dich für deinen Eigensinn zu bestrafen. Ich werde dich lehren, mich zu respektieren!“

Esther wusste, dass es keinen Ausweg aus dieser Situation gab. Alles, was sie sagen würde oder tat, verschlimmerte es nur. Sie hatte ähnliche Begegnungen erlebt. Sie blickte ein letztes Mal zu ihrer Schwester herüber, bevor sie sich über die Armlehne des Sofas legte. Dies war die Position, die sie immer einnehmen musste.

„Joseph, geh und hole den Gürtel!“

Joseph beeilte sich.

Er war an Momenten, wie diese gewohnt und mochte sie.

Eines Tages würde er seine eigene Familie haben und diese so disziplinieren wie er es von seinem Vater gelernt hatte.

„Bitte, Vater. Ich sehe ein, dass ich es verdiene“, versuchte sich Esther einzuschmeicheln, da sie wusste was folgte. „Du kannst mich härter bestrafen, wenn du mir bitte versprichst Eliza nichts zu tun.“

Um ihrer Bitte zusätzliches Gewicht zu verleihen, entblößte sie freiwillig den Hosenboden. Sie hatte Angst vor den beißenden Gürtelhieben, doch war die Liebe zu ihrer Schwester stärker und rief ihren Beschützerinstinkt für das Kind hervor. Esthers einzige Hoffnung war, dass er das Mädchen in Ruhe ließ, wenn sie sich freiwillig einer härteren Bestrafung unterzog.

Keith zeigte sich sehr zufrieden damit, wie sich seine Tochter verhielt. Dies gab ihm ein Gefühl der Genugtuung. Dennoch musste Esther lernen, dass er das Oberhaupt der Familie war und als Einziger die Entscheidungen traf.

“Wie ich sehe, verstehst du den Ernst der Lage und das du Strafe verdient hast. Allerdings kann ich es nicht erlauben, dass du meinst mir Befehle geben zu können. Für diese Überheblichkeit werde ich dich hart strafen.“

Esther spürte, wie ihr Herz einen Sprung machte. Der Versuch ihrer Schwester zu helfen, hatte ihre eigene Situation verschlimmert. Sie hätte es eigentlich wissen müssen, dass er sich nicht auf solchen Handel einließ. Es war ihr bewusst, dass er keine Gnade mit ihr kannte. Er würde sie hart züchtigen.

Ihr Vater enttäuschte sie in dieser Hinsicht nicht. Die Schläge kamen kraftvoll. Esther versuchte sich so gut es ging zusammenzureißen. Sie wollte ihm keine Schwäche demonstrieren, doch der Schmerz war einfach zu überwältigend. Bald fing sie an zu schreien.

Joseph hingegen genoss es seinen Vater dabei zu zusehen.

Aus eigener Erfahrung kannte er die Qualität der Hiebe.

Eliza beobachtete die Geschehnisse mit Schrecken. Wissend, dass sie die Nächste war. Sie fühlte sich so schrecklich schuldig. Ihr Vater hätte eigentlich nur sie bestrafen dürfen. Ihre Schwester traf keine Mitschuld an dem Unfall. Esther hatte ihr vertraut. Und wie revanchierte sie sich nun für dieses Vertrauen? Indem sie sie für ihren Ungehorsam leiden ließ. Wenn es schon jemanden in dieser Familie gab, des es verdiente diszipliniert zu werden, dann sie.

Es war Esther unmöglich anzugeben, wie oft er sie geschlagen hatte. Sie war nur dankbar, dass er endlich aufhörte. Das Erheben, gestaltete sich schwierig für sie. Sie fühlte sich schwindelig. Ihr gesamter Körper fühlte sich schwach an und die Beine zitterten. Sie hatte Schmerzen. Es bereitete ihr Schwierigkeiten, die Hosen wieder heraufzuziehen, doch letztendlich schaffte sie es. Sie wusste, was er als nächstes von ihr erwartete. Ohne nachzudenken, griff sie seine Hand, in der er noch den Gürtel hielt und küsste den Handrücken.

„Danke, Vater“, flüsterte sie heiser.

Die Schreie hatten ihr den Mund ausgetrocknet. Das Schlucken fiel ihr schwer. Sie stellte sich neben Eliza. Esther ging davon aus, dass er wollte, dass sie zusah, anderenfalls hätte er sie aus dem Zimmer geschickt.

„Tochter, ich warte! Lege dich über die Lehne!“, wies er sie furchteinflößend ruhig an, nahe zu emotionslos.

Eliza gehorchte und hoffte insgeheim, dass es nicht so schlimm würde, wie bei der Schwester.

Stuartville ist auf dem ersten Blick eine Postkartenidylle.

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Allerdings kommt der Journalist Chas nicht hierher, um Urlaub zu machen, sondern infolge eines Insidertipps. Angeblich ist der beschauliche Touristenort genau der Flecken, der seine Recherchen für sein Buch über religiöse Unterjochung, Arglist und Eigennutz vervollständigen kann.

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Chas bekommt mehr Informationen als er erwartet und muss erleben, was es bedeutet die Pläne von mächtigen Gegnern zu durchkreuzen. Bei seinem Versuch jemanden aus den Klauen der Gemeinde zu befreien, überschlagen sich die Ereignisse und nicht nur für ihn beginnt ein Kampf ums Überleben.

 

Als Chas von der Bildfläche verschwindet macht sich sein Freund John, ebenfalls Journalist, auf die Suche nach ihm. Der Sheriff behindert die Suche, doch John hat gute Verbündete gefunden und gemeinsam decken sie das Geheimnis auf, das sich hinter dem Codewort: Noidem verbirgt.

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